Nach dem Abschied von Adrienne und Boris, die direkt nach
Südindien flogen, nahmen wir die Landeshauptstadt Neu Delhi etwas genauer unter
die Sonnenbrille. Wir durften mit einem ehemaligen Strassenkind durch die
Hintergassen der Stadt spazieren und er zeigte uns eindrücklich auf, wie die
heutigen Strassenkinder Neu Delhis ihren Lebensalltag meistern und versuchen,
über die Runden zu kommen. Wenn sie nicht in der Prostitution landen, verdienen
sie ihr Geld oft damit, recyclierbaren Abfall zu sammeln. So können sie pro Tag
bis zu 4 Fr. verdienen, was in Indien bereits ein Heidengeld ist. Auf unsere
Frage, was er denn damals mit dem Geld gemacht hat, antwortete er: „Ich habe
mir Essen gekauft und dann das Kino besucht“.
Nach der chaotischen Stadt Neu Delhi reisen wir nun durch den Staat Rajasthan,
der berühmt für seine wunderschönen Paläste und Forts ist. Diese Festungen auf
Hügeln oder in der Wüste sind tatsächlich sehr imposant und in dieser Umgebung
kann man sich gut die vergangene Blütezeit der Maharadschas vorstellen. Bei der
Besichtigung der Bauwerke haben wir eine neue Liebe entdeckt: die Audio-Guides.
Bewaffnet mit Kopfhörern und Abspielgerät nutzten wir wenn immer möglich dieses
coole Angebot, flätzten uns gemütlich in eine Palastecke und hörten den spannenden
Erzähl-, Erklär-, Darstell- und
Schilderungen der Männer und Damen in unseren Ohren zu. Halt wie früher der
Trudi Gerster im Märli-Telefon in der Bank Linth oder im Sonnenhof-Schuhladen.
Der bisherige Höhepunkt in Rajasthan war ein zweitägiger Kameltrip in der
Thar-Wüste. Uns schmerzt zwar noch immer etwas der Hintern, die Übernachtung unter
freiem Himmel, mitten auf Sanddünen, hat jedoch locker dafür entschädigt.
Unterwegs sind wir meistens mit dem Zug. Die Bahn-Infrastruktur hier ist sehr
gut ausgebaut (ein löbliches Vermächtnis der ehemaligen britischen
Kolonialmacht) und man kann die Sitz- oder Liegeplätze bequem im Internet
vorreservieren. Dummerweise sind die begehrtesten Plätze oft mehrere Wochen im
Voraus ausgebucht, was uns leider manchmal dazu zwingt, auf den Bus umzusteigen.
Das Reisen in Indien ist wie eine Achterbahnfahrt der Gefühle. An den einen Tagen
haben wir super Gespräche mit Indern, die sich für unser Leben in der Schweiz
interessieren und uns ihre Weisheiten verraten. Dieses Hochgefühl wird dann
jedoch oft wieder zunichte gemacht von schlechten Erfahrungen mit Abzockern,
wenn Abmachungen nicht eingehalten werden oder einfach durch das
offensichtliche und oft belästigende „Angestarrt-werden“ (oder sogar „Fotografiert-werden“)
beim Spazieren durch die Strassen. Das
richtige Einschätzen der Personen und Situation ist für uns daher sehr anspruchsvoll,
und wir nehmen bedauerlicherweise oft eine zu kritische oder ablehnende Haltung
gegenüber Indern ein, die uns auf offener Strasse ansprechen. Ein
Paradebeispiel ist die Begegnung mit einem jungen Inder, für den wir für seine
Geliebte in Berlin einen Liebesbrief auf Deutsch verfassten. Als Dank für
unsere Übersetzungsdienste lotste er uns in den Juwelierladen seines Kollegen,
bot uns Tee an und wollte uns ein Ketteli schenken. Was hättet ihr in dieser
Situation gemacht? Diese klassische Touristenfalle (Kollegen-Juwelierladen,
mutmassliche Gratis-Geschenke, mögliches Schlafmittel im Tee) machte uns
natürlich sehr suspekt und wir waren übervorsichtig in unserem Handeln. Am
Schluss hat sich alles als ein aufrichtiges Dankeschön herausgestellt, die Ketteli
haben wir jetzt noch am Arm, mussten nichts kaufen und der Tee schmeckte
vorzüglich. Einzig der Inder war ab unserem reservierten Verhalten enttäuscht,
meinte, wir hätten keine offenen Herzen und fühlte sich persönlich angegriffen,
als wir ihm unsere negativen Erlebnisse mit Einheimischen schilderten. Ein
anderer Inder meinte in einem Gespräch, dass die Touristen halt total selber
schuld sind, so oft abgezockt zu werden, da sie ja „ihr Geld wie
Toilettenpapier benützen“. Aus Angst vor negativen Situationen sehe er sie oft „wie
Roboter in der Gegend herumlaufen“. Und in seinem Land schauen die Touristen ja
oft nur Bauwerke an, als ob sie „mit den Wänden reden könnten“. Daher müssten
Reisende doch mit Einheimischen reden, nur so lernen sie das wahre Indien
kennen. Wo er recht hat, hat er recht. Und doch ist es nicht so einfach…
 |
Wenns nicht ins Kino geht, dann zu den Spielautomaten - Spielhalle direkt neben einer Abfallabgabestelle, die den Strassenkindern ihr Geld auszahlt |
 |
Finde Roger... Besuch beim Salaam Baalak Trust, einer NGO, die Strassenkinder unterstützt |
 |
Beim Moscheenbesuch muss sich Melanie manchmal verhüllen, was dann meistens ziemlich schick aussieht |
 |
Alltagsbild in Indien |
 |
Lange suchten wir sie, nun endlich gefunden - die Schlangenbeschwörer |
 |
Einer der wunderschönen Paläste in Jaipur, der rosaroten Stadt |
 |
Das imposante Amber Fort |
 |
Blick von der Wüstenfestung in Jaisalmer |
 |
Ali und Salim bereiten unseren Zmittag vor |
 |
Ein Fotoparadies - die Thar-Wüste |
 |
Die Kamele hatten einen ziemlichen Zug drauf... |
 |
Die Kehrseite der Wüstenmedaille - in der Nacht ist es saukalt |