Montag, 29. August 2011

Eine Regierung gegen das Volk, Teil 2

Durch die Tatsache, dass das Land seit Jahrzenten nach aussen abgeschottet ist, kommt einem eine Reise durch Myanmar wie eine Zeitreise durch das Südostasien vor 50 Jahren vor. Modetrends aus den USA haben noch nicht Fuss gefasst und Traditionen, wie das ständige Kauen von sogenanntem „Paan“ (Blätter und Früchte der Betelnusspalme), sind weit verbreitet. So kleidet sich ein Grossteil der Männer nicht in Hosen, sondern in sogenannten „Longyi“, ein kariertes, sich um die Hüften gebundenes Tuch. Und wenn man einen Burmesen anspricht, muss man oft länger auf eine Antwort warten, da er den Mund voller Betelnüsse hat und dieses hässliche Mischmasch zuerst irgendwo entsorgen muss. Die Frauen sind alle mit „Thanaka“ angemalt, einem Extrakt aus dem Thanaka-Baum, den sie sich als Make up und zusätzlichen Sonnenschutz ins Gesicht schmieren. Dieses Sitte wirkt auf Touristen wie eine andauernde Kriegsbemalung und oft ziemlich grimmig.
Dank Internet, sporadischem Satelliten-TV-Empfang und vielverkauften Raubkopien westlicher Filme und Musik gelingt es jedoch trotzdem ab und zu irgendwelchen Einflüssen aus Hollywood oder MTV sich ins Land zu schmuggeln. Das führt dann zu surrealen Situationen wie dieser, dass das jugendliche Bus-Personal in unserem Gefährt stolz diverse amerikanische Hip Hop Videos mit halbnackten Frauen abspielte. Die vielen älteren Frauen im Bus starrten mit entsetzten Augen auf das merkwürdige Gehopse auf dem Bildschirm, und als dann noch prompt ein Video der Schweizerin DJ Tatana gespielt wurde, klappte auch uns die Kinnlade runter.
Obwohl wir in Myanmar nicht den Eindruck hatten, dass die Bevölkerung viel mehr an Armut leidet als z.B. in Kambodscha oder Laos, fiel uns jedoch auf, wie weit verbreitet die Kinderarbeit in diesem Land ist. In Familienbetrieben wie Restaurants oder in der Landwirtschaft waren wir uns an den Anblick von mehr oder weniger fleissig arbeitenden Kindern bereits gewohnt. Aber wie viele Kinder wir hier entdeckten, die sich beim Haus- oder Strassenbau abrackerten, stimmte uns doch sehr nachdenklich. Wie es scheint, ist es in Myanmar gängige Praxis, die Kinder frühzeitig aus der Schule zu nehmen und zum Geld verdienen zu verdonnern.
Wie in den bisher bereisten Ländern hat der grosse Bruder China auch in diesem Rohstoff- und Ressourcenreichen Land bei etlichen Bauprojekten die Finger im Spiel. Momentan wird z.B. durch den Norden eine riesen Öl-Pipeline gebaut, die das schwarze Gold schlussendlich zielstrebig nach China führt. Für dieses Mammutprojekt besetzte die verantwortliche Firma „China-Oil“ im hügligen Nordosten ein ganzes Hotel für ihre Kaderleute, so dass wir nur noch mit Mühe eine andere Schlafgelegenheit im Dorf finden konnten. Die Trekkingführer dort sind nun sehr schlecht auf die Chinesen anzusprechen, da mangels Unterkünften seit längerem die Touristen ausbleiben.
Nach dem kurzweiligen Monat in Myanmar stehen als nächstes unsere „Swiss-Holidays“ an. Vom 31. August bis  19. September werden wir eine Kurzvisite in der Schweiz machen und freuen uns, unsere Familien in die Arme zu schliessen und den Klatsch&Tratsch der letzten sieben Monate mit unseren Freunden auszutauschen.
 
Melanie mit Par Par Lay, Mitglied der regierungskritischen und deshalb verbotenen Komiker-Truppe "Moustache Brothers". Er war schon dreimal im Gefängnis und ist sichtlich stolz darauf.


Burmesisches Velotaxi

Die Gotthard-Postkutsche ist scheinbar in Myanmar gelandet...

Unser handgeschriebenes First Class Zugbillett

Die Mönchsnovizen hatten einen riesen Spass mit unserer Kamera


... und die Nonnen-Novizen im schicken rosarot

Bagan - Tempel, soweit das Auge reicht

Die Plätze auf dem Bus-Dach sind immer sehr beliebt

Zigarren-rauchende Frauen - ein etwas gewöhnungsbedürftiger Anblick

Samstag, 27. August 2011

Eine Regierung gegen das Volk, Teil 1

Vielen Dank fürs geduldige Warten, wir melden uns zurück! Knapp einen Monat haben wir nun in Myanmar verbracht und, wie sich’s gehört, so einiges erlebt. Die Vergangenheit und Gegenwart dieses Landes ist geprägt durch Aufstände und Kämpfe verschiedener Volksstämme gegen das Militärregime, das auf der anderen Seite mit einer unmöglichen Verteidigungs- und Regierungsstrategie die ganze Bevölkerung in Mitleidenschaft zieht. Nach der Freilassung der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi aus ihrem Hausarrest scheint die Regierung etwas mehr auf Dialog aus zu sein als auch schon. Aber wie die Geschichte zeigt, kann sich das schnell wieder ändern. Vor knapp einem Jahr haben die ersten Wahlen seit 1990 stattgefunden (natürlich mit massiver Wahlfälschung und Einschüchterung seitens der Regierung)  und die Generäle kleiden sich nun nicht mehr in der Uniform, sondern im Anzug. Eingeführt haben sie ebenfalls eine neue Nationalflagge. Auf unsere Frage, ob sich seit den letzten Wahlen etwas geändert hat, antwortete ein Einheimischer sehr passend: „Ja, die Polizeiuniformen.“  (Die Polizei musste sich nach dem Flaggenwechsel neue Kleider schneidern lassen.)
Entgegen unserer Erwartung sprachen die Burmesen mit uns sehr offen über die Regierung, oft mit einem sarkastischen Unterton. Das muss man ihnen hoch anrechnen, wenn man bedenkt, was ihnen das Regime alles aufbürdet und damit ihren Lebensalltag schwieriger gestaltet  als er sowieso schon ist. Viele im sonstigen Südostasien  selbstverständliche Güter sind für den Durchschnittsburmesen unerschwinglich. Handys z.B. sieht man sehr selten, weil die SIM-Karte für viele zu teuer ist. Das führt dazu, dass man an den Strassenrändern alle paar Meter ein Tischchen mit einem alten Telefon findet, mit dem man gegen ein Entgeld ein anderes Tischchen mit einem Telefon anrufen kann. Für vieles gibt es zudem einen Schwarzmarkt, z.B. fürs Benzin, das von der Regierung streng rationiert wird. So darf jeder Burmese an einer spezifischen Tankstelle, die ihm von den Behörden zugewiesenen worden ist, pro Monat eine gewisse Anzahl Liter zu einem „Vorzugspreis“ tanken. Natürlich reicht dieses Benzin meistens nirgends hin, daher muss der Rest irgendwo auf dem Schwarzmarkt zum doppelten bis dreifachen Preis bezogen werden. Ein weiteres „Müsterli“: Seit den Unruhen im 2007, die von Mönchen und Studenten angeführt wurden, sind die Universitäts-Gebäude vielerorts aus den städtischen Gebieten aufs Land verbannt worden. Dort können die Studenten aus Sicht der Regierung weniger „Schabernack“ treiben und der Zugang, durch überhöhte Semestergebühren sowieso erschwert, wird so für viele noch schwieriger.
Wie man sich vorstellen kann, ist die Pressefreiheit in diesem Land ein Fremdwort. Zeitungen sind ausschliesslich Propaganda-Sprachrohre der Regierung, im Internet kann auf viele Seiten nicht zugegriffen werden (z.B. auf unseren Blog :-)) und im Kabelfernsehen gibt’s nur vier (nationale) Sender. Das einzige, was die Regierung nicht aufhalten kann, sind Radio-Wellen. Daher sieht man viele Burmesen, die am Morgen früh vor kleinen Radios sitzen und sich in ihre Sprache übersetzte BBC- und „Voice of America“-Nachrichten anhören.
Die meisten Burmesen, die wir getroffen haben, zeigten sich durch die schwierigen Umstände glücklicherweise nur wenig beeindruckt  und offenbarten eine überraschend trotzende, z.T. kämpferische Einstellung. Als Reisender wird man von der Bevölkerung für gewöhnlich sehr herzlich empfangen. So verwandelte sich jeder zuerst noch so kritische Blick innert Sekundenbruchteilen zu einem gewinnenden Lächeln, das mit den Thailändern oder Khmer locker mithalten kann.

Teil 2 der Myanmar-Berichterstattung folgt in Kürze…


Seltene Sonnenstrahlen auf dem Sagaing Hill

So sah früher wohl der Seedamm aus

Das wohl langsamste Taxi Myanmars

Spontane Begegnung auf dem Bahn-Perron

Melanie vor ihrer Niederlage gegen einen Jungen, der noch nie in seinem Leben UNO gespielt hat

Sie wurde nicht das erste Mal fotografiert...


Auch Mönche schauen gerne fern

Melanie und Co. mit Thanaka auf dem Gesicht. Eine natürliche Sonnencrème und Make up in einem, dass sich alle burmesischen Frauen täglich auftragen

BBC - the killer broadcast, Zeitungspropaganda as it's best

Shwedagon Paya, ein unglaublich imposanter Tempel aus 60 Tonnen purem Gold