Sonntag, 26. August 2012

Love hurts


„Love hurts“. Eine populäre Phrase in so manchem Love-Song, die aber durchaus ihre Berechtigung hat. Roger musste das am eigenen Leib, oder genauer Rücken und Gesäss, erfahren. Denn Melanie hatte schon während der ganzen Asienreise einen immer wiederkehrenden Traum. In diesem Traum ritten wir (mit Betonung auf WIR) auf Pferden durch die unglaublichen Weiten der Mongolei. Und Träume sind ja bekanntlich zum Verwirklichen da. Dass Roger das Pferdereiten nur aus Wild West – Filmen, den paar Tibet-Flussüberquerungen und vom Pony-Reiten im Kinderzoo her kannte, schien nicht mal nebensächlich zu sein.
Nachdem wir eine total gemütliche 1. Etappe mit der Transsibirischen Eisenbahn von Peking nach Ulan-Bator in der Mongolei hinter uns hatten, ging‘s direkt mit einem alten, sowjetischen Ambulanz-Büschen hinaus in die erträumten unglaublichen Weiten. Da man die geteerten Fernstrassen der Mongolei immer noch an einer Hand abzählen kann, war bereits diese 2-tägige Anfahrt eine holprige Durchhalte-Übung für Stossdämpfer und Wirbelsäule zugleich. Ein Vorgeschmack für Roger auf das, was noch kommen sollte. Die erste Nacht schliefen wir in einer typischen mongolischen Jurte. Dieses Rundzelt ist für Nomaden und Vorstadt-Bewohner noch heute erste Wahl und aus der hiesigen Kultur nicht wegzudenken. Und dann galts bereits ernst. Bei einer Nomadenfamilie wurden sechs Pferde für uns, unsere Tour-Gspändlinnen aus Südafrika und den Guide ausgewählt, anschliessend eine kurze Einführung, wie man ein Pferd besteigt, und ab die Post. Die vier Damen ritten mit wehenden Haaren der aufgehenden Sonne entgegen und sahen auf ihren Pferden so oberprofessionell aus, als ob sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht hätten. Mit immer grösser werdendem Abstand folgte ihnen der blutige Reit-Anfänger Roger. Von wehenden Haaren und professioneller Haltung konnte bei ihm jedoch keine Rede sein. Was sich nach fünf Tagen Non-Stopp-Reiten über Stock und Stein und Fluss und Gras unweigerlich bei Rücken und Gesäss bemerkbar machte. Definitiv kein Vergleich zu Pony-Reiten im Kinderzoo. Ach, was man für die Liebe nicht alles macht. Auch wenn‘s „hurt“.
Nichtsdestotrotz war der Pferde-Trek ein riesen Highlight. Wir ritten fünf Tage lang durch nicht mehr enden wollende Steppe und unbewohnte Täler. Bei den Nomaden-Familien durften wir örtliche Spezialitäten wie z.B. vergorene Stutenmilch probieren (deren Alkoholgehalt sich jeweils stündlich erhöht). Und unsere guten Seelen, der Guide und der Koch, mussten am Feuer eine ganze Nacht lang Wache schieben, weil wir dummerweise in einem Berggebiet nächtigten, in dem sich ein Wolfsrudel herumtrieb. Zudem durften wir auf den Pferden das ganze Wetterspektrum von H (Hagel) über nochmals H (Hitze) bis S (Schnee) miterleben. Einmal schiffte es die ganze Nacht durch, bis unser Iglu-Zelt dem Regen nicht mehr standhalten konnte und unsere Schlaf- und Rucksäcke pflädinass waren. Als meteorologisches Tüpfchen auf dem i fing es dann am Morgen danach noch an zu schneien, bis unser Zelt unter einer stattlichen Schneeschicht ächzte. Wetter-Zustände, bei denen man nicht mal seinen Hund vor die Türe lässt, geschweige denn sein Pferd.
Die nächsten vier Tage konnten uns solche Wetterkapriolen nichts mehr anhaben. Dann sassen wir nämlich wieder in einem gemütlichen 4-er Abteil der Transsibirischen Eisenbahn und ratterten die verbleibenden 6‘266 km nach Moskau, vorbei am Baikalsee und den unendlichen sibirischen Wäldern. Bäume, Bäume, Häuschen, Fluss und nochmals Bäume waren auf den Zugfenster-Kanälen 1 bis 99 für die nächsten Tage zu sehen. Komischerweise verging die Zeit dennoch wie im Flug (nicht wie im Zug). Es wurde fleissig Schach gespielt, Bücher gelesen, Fertigkaffee bis zum Händezittern getrunken und mit Abteils-Nachbarn geplaudert, so dass wir bei der Einfahrt in den Moskauer Bahnhof fast etwas wehmütig aus dem Zug stiegen.
Die grösste Landweg-Strecke zurück in die Schweiz haben wir nun hinter uns und es beginnt bereits der letzte Teil unserer Reise, Osteuropa, natürlich by train.

Transibirische Eisenbahn mit chinesischer Lok

Der Speisewagen mit niedlicher Plastikrose

Unsere "Zugbegleiterin", die immer klar verständlich machte, wer der Boss im Wagen ist

Przewalski-Pferde. Von denen gibts mittlerweile wieder ca. 2000 Exemplare und sind noch die einzigen Wildpferde der Erde

Jurten-Innenansicht. Im Vordergrund ein Topf mit Stutenmilch und eine Schale Käse aus Yakmilch

Das Zeitalter der Melkmaschinen wird hier wohl noch lange nicht beginnen

Christelle und Melanie freuen sich auf einen neuen Reit-Tag

Wer hätte das gedacht. Edelweiss gibt's nicht nur in den Alpen

Jeden Abend dasselbe Prozedere: Kleidertrocknen am Feuer

Grau in Grün - mit dem Sowjet-Bus back to nature

Unsere Gruppe bei Tisch...

... und beim posen à la Korea (man beachte Roger in seinen Reiterhosen...)

Melanie führt das Feld an

Wenns mal zu kalt wird, nimmt man das 5 Tage alte Kalb halt in die Jurte

Egal wie spärlich die Einzimmer-Wohnung eingerichtet ist, auf den Fernseher verzichtet man trotzdem nur ungern. Kommt uns irgendwie bekannt vor...

Klein, aber kritisch

Roger spielt gegen den Schachmeister von Wagen 4

RoMe vor ihrer rollenden Wohnung

Sonntag, 12. August 2012

Sexy Music à la Chinoise


Der Medaillenspiegel der olympischen Sommerspiele in London zeigt eindrücklich, dass der (Leistungs-)Sport in China definitiv kein tristes Stiefmütterchendasein fristet. Hier werden Sportler in jungen Jahren im grossen Stil selektioniert und gefördert. Dies mit einer Selbstverständlichkeit, dass die zahlreichen Goldmedaillen, die momentan täglich von den Sportlern in der Ankunftshalle des Pekinger Flughafens im Blitzlichtgewitter spazieren geführt werden, von Chinesen als das Normalste der Welt betrachtet werden. Auch Herr und Frau Chinoise ohne olympische Ambitionen zeigen einen imponierenden Bewegungsdrang. Männer und Frauen, teils im hohen Alter, findet man in beträchtlicher Zahl beim Eindunkeln in Pärken, auf Parkplätzen oder auf dem Trottoir beim Tai Chi, Badminton spielen oder tanzen. So entstehen oft diese grossartigen China-Momente, die wir an diesem Land so lieben, wenn wir z.B. spätabends hundemüde aus der Metro-Station steigen, nur noch ins Bett fallen wollen und beim Metroausgang von einer Horde in Reihen stehenden Frauen zwischen 20 und 70 begrüsst werden, die zu einem Disco-Schlager namens „Sexy Music“ engagiert ihre Hüften schwingen.
Ein Einwohner Chinas mit weniger Bewegungsdrang ist der Grosse Pandabär. Er geniesst in China eine riesen Popularität (Panda-Wilderer und Pelzhändler wurden schon mehrmals zum Tode verurteilt) und verschiedene Forschungszentren und Aufzuchtsstationen sorgen dafür, dass die Zahl der in Gefangenschaft lebenden Tiere von Jahr zu Jahr steigt. In der Wildnis hat der Grosse Panda jedoch eine immer geringere Überlebenschance und es sieht so aus, als ob er in ein paar Jahrzehnten in der Wildnis ausgerottet sein könnte, in Zoos jedoch so oft wie noch nie zu sehen sein wird.
Ein weiteres China-Unikum fanden wir in Shanghai. In einem Park wird täglich ein inoffizieller „Heiratsmarkt“ veranstaltet. Zahlreiche Mütter und Väter bieten auf Plakaten ihre noch nicht verheirateten Söhne und Töchter feil und versuchen so mit anderen Eltern in Kontakt zu kommen, die ebenfalls mögliche Kandidaten für ihre Schützlinge suchen. Ein Vater schätzte, dass 80% aller Eltern im Park ohne das Wissen ihrer Kinder dort sind und versuchen, ihre Kinder möglichst unbemerkt zu verkuppeln.
Die letzten Tage in China verbrachten wir in Grossstädten wie Hangzhou, Shanghai und Peking, die mit grossartigen historischen und neuzeitlichen Bauwerken aufwarten. Allen voran die Grosse Mauer, die sich wie eh und je ihren Weg durch die smogverhüllten Hügel um Peking schlängelt. Ebenfalls in die Kategorie grossartiger Bauwerke gehört die neue Zugstrecke zwischen Shanghai und Peking, dank der wir mit dem über 300 km/h schnellen Zug die 1‘318 km in unter 5 Stunden meistern konnten. Der pure Wahnsinn!
Nach zwei Monaten China geht’s nun wieder in zensurfreie Gebiete. Obwohl man fairerweise sagen muss, dass die Regierung nur einzelne Teilbereiche und Themen des öffentlichen Lebens zensurieren (z.B. Tibet). Über Proteste von Dorfbewohnern, die gegen geplante Fabrikbauten auf die Strasse gehen, wird in den Medien ausführlich berichtet und wir konnten schon einige sehr regierungskritische Kommentare in lokalen Zeitungen lesen. Zudem dominieren auch hier Artikel über Syrien oder den Apple/Samsung-Prozess die Berichterstattung.
18 Monate sind wir jetzt bereits in Asien gereist und langsam langsam geht’s zurück nach Hause. Wir nehmen die Transsibirische Eisenbahn von Peking nach Moskau, machen einen Zwischenstopp in der Mongolei und werden zuletzt einige osteuropäische Länder besuchen bevor wir Mitte September Schweizer Boden betreten. Ein Nachhause-Kommen in Raten, schön Schritt für Schritt, damits bis zuletzt auch die hinterste Hirnzelle kapiert hat, dass unsere Reise bald vorbei ist.

Chinesen sind ein tanzfreudiges Volk, auch wenn die "Freude" auf den ersten Blick nicht immer ersichtlich ist...

Grosse Pandas beim Zmorgen-Schmaus

Der Rote Panda steht ungerechterweise im Schatten seiner grossen Namensvettern. Hat er definitiv nicht verdient.

Der Bahnhof von Chengdu, blitzblank sauber

Nette Bekanntschaften im Zug-Schlafabteil, die einem schon vor dem Mittag ein Bier anbieten

Shanghai. Punkt.

wo dure gaht's? bim Vorhang links...

Auch in China gibts noch schmalle Gassen

RoMe aus der Käfer-Perspektive

Mao bestaunt sein Volk

Wasserfontänen beigeistern Kinder nicht nur auf dem Bundesplatz

Eines der unzähligen abstrusen Gefährte, die man auf Pekings Strasse antrifft

Wir hätten ihn gerne gerettet, wäre er nicht ganz so gross gewesen...

Die grosse Mauer vor Ankunft der Tour-Busse