Bevor wir erstmals tibetisches Territorium betreten durften,
verbrachten wir zusammen mit Alvine und Guido unzählige Stunden, um alle von
der chinesischen Regierung in den Weg gestellten Hürden zu meistern. Die Route
musste im Voraus festgelegt, Fahrer und Guide organisiert und alle
administrativen Anforderungen erfüllt werden. Endlich erledigt, erreichte uns
die Hiobsbotschaft, dass nur noch mindestens fünf Touristen der gleichen
Nationalität miteinander reisen dürfen. Kurze Zeit später wurde Tibet für Ausländer
komplett geschlossen. Aber wirklich ganz Tibet? Das chinesische Parteikader
versucht der ganzen Welt weisszumachen, Tibet sei nur ein auf Lhasa und
Umgebung beschränktes Gebiet. In Wirklichkeit macht dieses Zentral-Tibet jedoch
nur einen Drittel der gesamten Fläche aus, in der die tibetische Kultur überwiegt
und sich die Leute als Tibeter bezeichnen. Die restlichen zwei Drittel, die aus
den sogenannten Amdo- und Kham-Regionen bestehen, werden schön unter dem Deckel
gehalten und scheinen an der Weltpresse irgendwie vorbei zu existieren.
Da wir nicht nach Zentral-Tibet reisen durften, machten wir stattdessen eine
2-wöchige Reise durch die Amdo-Region. Unser Guide, ein Tibeter, der in einer
Nomaden-Familie aufgewachsen ist, berichtete uns erschütternde Geschichten, wie
es um das unterdrückte tibetische Volk steht. Zudem konnten wir uns bei den Besuchen
von vielen buddhistischen Klöstern und tibetischen Dörfern selber ein Bild davon
machen.
Seit den tibetischen Demonstrationen im Vorfeld der olympischen Spiele im 2008
hat sich die Situation beträchtlich verschlechtert. In Amdo sind seither einige
Gebiete regelrecht abschottet und Ausländer haben dort schon seit Jahren keinen
Zugang mehr. Gemäss Angaben unseres Guides wurden in seinem Dorf bei Unruhen im
2008 200 Menschen getötet und weite Teile der männlichen Bevölkerung
inhaftiert. Er selber war schon 10-mal im Gefängnis und wir sind durch eine
Stadt gefahren, in der damals alle 300 Nonnen ins Gefängnis gesteckt wurden,
weil sie auf der Strasse gegen die chinesische Politik demonstriert haben. Die
Regierung hat nun drastische Massnahmen beschlossen, damit solche Unruhen so
schnell nicht mehr vorkommen. An vielen Klöstern sind die Anzahl
praktizierender Mönche limitiert und etliche Klosterschulen wurden geschlossen.
Einst stolze Klöster mit vielfältigem Leben und über tausend Mönchen dürfen
heute nur noch wenige hundert aufnehmen und werden zu Museen und Touristenattraktionen
reduziert. Das Regierungs-Credo: Die tibetische Kultur gehört ins
Völkerkundemuseum und soll ja nicht mehr gelebt werden.
Viele Tibeter werden überwacht und bespitzelt, Handys abgehört und der SMS-Verkehr
ist in einigen Gebieten sogar gesperrt. Über politische Angelegenheiten kann in
der Öffentlichkeit nicht diskutiert werden. Unser Guide bezeichnete z.B. Dalai
Lama immer als „Big D“, um nicht unerwünschte Zuhörer auf unsere Diskussionen
aufmerksam zu machen.
Die Zahl der tibetischen Nomaden, das Rückgrat der Tibet-Kultur, verringert
sich ebenfalls von Jahr zu Jahr. Die Regierung kauft ihnen Vieh und Land ab und
versucht, die Nomaden in neu erbaute, feste Behausungen umzusiedeln. Ein
Angebot, dass viele Nomaden mit Sicht auf das schnelle, grosse Geld nicht
ausschlagen können. Mit diesen und ähnlichen „Finten“ schafft es „die grosse
Partei“, die tibetische Kultur nach und nach auszulöschen.
Die aktuellsten Entwicklungen lassen ebenfalls aufhorchen. Nachdem sich nun zum
x-ten Mal Mönche selber angezündet haben, um die Welt auf ihre Unterdrückung
aufmerksam zu machen, wurde Zentral-Tibet (wie bereits erwähnt) isoliert. Für
uns Reisende ist diese Situation zwar schade, die um ein Vielfaches härter
betroffenen Tibeter machen nun jedoch die Hölle durch. Bewohner der Amdo- und
Kham-Regionen, die sich in Lhasa aufhielten, wurden aufgespürt, mussten die
Stadt per sofort verlassen und wurden in ihre Heimatregionen zurückverfrachtet.
Hunderte Tibeter sind wieder inhaftiert worden. Und der eigentliche Gipfel der
ganzen Aktionen: Tibeter dürfen nun nicht mehr nach Zentral-Tibet reisen. Sie
erhalten keine Zug-Tickets mehr und werden an Grenzposten abgewiesen. Für
Chinesen ist die Einreise jedoch weiterhin kein Problem.
Die Bewohner Tibets sind auf jede Art von „Publicity“ für ihre Sache angewiesen,
daher sollen im Westen die Berichte über die erschütternden Geschehnisse in
Tibet unbedingt Gehör finden. Hier hat ein Grossteil der Chinesen aufgrund der
rigiden Zensur im Land keine Ahnung, was in Tibet vor sich geht und viele haben
das Gefühl, Tibeter seien immer noch einsame Nomaden, die im Hochland mit ihren
Yak- und Schafherden einsam ihre Runden drehen.
Ebenso ein paar Blog-Zeilen wert ist natürlich, was wir in Tibet überhaupt
gemacht und erlebt haben. Wir besuchten verschieden Klöster und erhielten
Einblick in den tibetischen Buddhismus, verfielen dem Yak-Joghurt, assen Momos
bis zum bitteren Ende, bewunderten die unendlichen Grassflächen des tibetischen
Hochlands und trekkten sieben Tage um den heiligen Mount Amnye Machen.
Unterwegs waren wir mit fünf Yaks und drei Pferden und übernachteten in
Iglu-Zelten auf über 4000 m.ü.M. .Es war ein überaus nasses Erlebnis mit
abenteuerlichen Flussüberquerungen (zu Fuss oder zu Ross) und unzähligen
Begegnungen mit ängstlichen Yaks, Zähne fletschenden Hunden, frechen
Murmeltieren und wehenden Gebetsfahnen. Missen wollen wir wie immer nichts
davon.
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Ein Mönch produziert Tsampa-Kügelchen |
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Typisches tibetisches Kloster |
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Debatierende Mönche im Kloster Rebkong, ein wahrhaft unterhaltsames Spektakel |
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Rebkong by night |
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Tibetische Gebetsmühlen |
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Tibetischer Gebets- und Modestil, Part 1... |
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... und Part 2 |
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Das riesige Kloster von Labrang |
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Mönche gestalten ein Mandala aus Sand |
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Kinder vom Land |
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SO sieht Tibet aus |
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Spieglein Spieglein auf dem See, wer ist der schönste Berg, juhee? |
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Junger Novize beim schuften |
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Tibetische Städte sind nicht immer einladend |
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Melanie zu Ross über Fluss |
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Richtig, es war saukalt! |
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Wandern ist des AlGuRoMe's Lust |
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Die lieben Yaks schleppten unseren Garsumpel |
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Der Fleecepulli war Pflicht |
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Yaks sind von Grund auf kritische Tiere |