Montag, 23. Juli 2012

Gekotzter Fisch


Töttörötöö, hier kommt der nächste Blogeintrag aus China. Der Zugriff auf unseren Blog ist immer noch gesperrt, wir haben jedoch einen findigen Hotelbesitzer gefunden, der für sein Internetkabel ein eigenes Tunnel nach England gegraben hat (oder so ähnlich…) und kommen so  für ein paar Tage in Genuss von frischen, unzensierten Internetseiten.
Bevor unser China-Abenteuer Teil 2 startete, verbrachten wir einige Tage in Hong Kong. Die ehemalige britische Kronkolonie, die im 1997 zähneknirschend an die Volksrepublik China zurückgegeben werden musste, geniesst nun die Vorzüge einer sogenannten chinesischen Sonderverwaltungszone. Auf kompliziert Deutsch: Das Hongkonger System ist nun demokratisch marktwirtschaftlich, nicht autoritär sozialistisch, und somit eine kapitalistische Oase, in der sich wie’s scheint alle internationalen Unternehmen, die Rang und Namen haben, ein Standbein in Wurfweite vom grossen China aufgebaut haben. Wir fanden u.a. einen Mammut-Store mit Schweizer Preisen, eine Nespresso-Filiale und einen Laden, der holländische Käselaibe verkaufte. Auf den Strassen kurven doppelstöckige Trams herum und die Leute stehen tatsächlich Schlange vor Edelgeschäften von Chanel und Hermes. Zufälligerweise fand während unserem Hong Kong-Aufenthalt das internationale Drachenbootrennen statt, an dem wir die Boots-Crew des DBC Meilen lautstark unterstützten. Die Damen und Herren Drachenböötler vom Zürichsee waren ziemlich verwundert über ihren unverhofften Fan-Support. Amüsanter weise trafen wir noch viele Tage nach dem Rennen im chinesischen Yangshuo auf erfolgreiche Drachenboot-Frauschaften aus Australien, die mit ihren Goldmedaillen um den Hals durch die Marktstrassen stolzierten.
In ebendiesem Yangshuo, das berühmt für seine unzähligen Karstfelsen ist, verbrachten wir sportliche Tage bei Velofahren, Wandern, Klettern und Kochkurs. Wir hausten in einem kleinen Bauerndorf, in dem die Einwohner täglich ihre Ochsen an der Leine spazieren führen. Eine weitere lokale Eigenheit ist das Kormoran-Fischen. Die Fischer haben dafür Kormorane abgerichtet, die auf Kommando auf Tauchstation gehen, scheinbar mühelos Fische fangen und mit ihrem Fang im Hals zurück aufs Boot kommen. Dort würgen sie den gefangenen Fisch hervor, direkt in den bereitgestellten Eimer. Melanie nennt das Ganze „gekotzten Fisch“.
Beim Reisen durch China fällt uns immer wieder das Ergebnis der „Ein-Kind-Politik“ auf. Im Vergleich zu den bisher bereisten Ländern sind hier Babys und Kinder viel weniger zu sehen. Das chinesische Familienplanungs-Gesetz schreibt vor, dass verheiratete Paare in städtischen Gebieten nur ein Kind haben dürfen. Ausgenommen sind ethnische Minderheiten und in vielen Gebieten Familien auf dem Land, deren erstes Kind ein Mädchen, körperlich oder geistig behindert ist. Klingt schlimm, ist aber so. Paare, die sich nicht ans Gesetz halten, müssen eine Busse zahlen. Gemäss den neuesten Zahlen scheinen die drastischen Massnahmen gegen eine drohende Überbevölkerung ausgezeichnet zu wirken und das Wachstum hat sich wesentlich verringert. Die negativen Folgen dieser Politik, wie Abtreibungen, eine Gesellschaft von Einzelkindern, ungleiches Verhältnis zwischen Mädchen und Buben, künstliche Befruchtung mit grosser Chance auf Zwillinge (die sind nämlich erlaubt) usw. wiegen jedoch schwer. Anscheinend sind bei der Regierung nun Diskussionen im Gang, in Zukunft zwei Kinder zu erlauben.
Weiter ging’s in die Provinz Yunnan, wo das sagenumwobene Shangri-La liegen soll. In Dali besuchten wir bunte Märkte von hiesigen Bergvölkern, wo es von der Schnulzen-CD bis zum gegrillten Vögelchen alles zu kaufen gibt. Und wir wanderten in zwei Tagen durch den berühmten „Tiger Leaping Gorge“, einer riesigen und imposanten Schlucht mit unglaublichen Wassermassen, die hunderte von Metern weiter unten vor sich hintosen. 

Unterhaltung à la Hong Kong

Schlange stehen vor dem Edelschuppen

Mammut abroad

Wer ist schöner, wir oder die Skyline?

Lichter so weit das Auge reicht - Hong Kong by night

Drachenböötler in action

Das wär doch was für die VBZ

Bauer beim Gassi gehen in Yangshuo

Pink in Pink

Typische Aussicht in Yangshuo

Melanie weiss jetzt, wie man Hund kocht

Geschäftiger Markt in der Yunnan Provinz

Wunderschöne Altstadthäuser in Lijiang

Hat momentan definitiv genug Wasser - Tiger Leaping Gorge

Samstag, 7. Juli 2012

Wenn nur noch Chinesen nach Tibet dürfen


Bevor wir erstmals tibetisches Territorium betreten durften, verbrachten wir zusammen mit Alvine und Guido unzählige Stunden, um alle von der chinesischen Regierung in den Weg gestellten Hürden zu meistern. Die Route musste im Voraus festgelegt, Fahrer und Guide organisiert und alle administrativen Anforderungen erfüllt werden. Endlich erledigt, erreichte uns die Hiobsbotschaft, dass nur noch mindestens fünf Touristen der gleichen Nationalität miteinander reisen dürfen. Kurze Zeit später wurde Tibet für Ausländer komplett geschlossen. Aber wirklich ganz Tibet? Das chinesische Parteikader versucht der ganzen Welt weisszumachen, Tibet sei nur ein auf Lhasa und Umgebung beschränktes Gebiet. In Wirklichkeit macht dieses Zentral-Tibet jedoch nur einen Drittel der gesamten Fläche aus, in der die tibetische Kultur überwiegt und sich die Leute als Tibeter bezeichnen. Die restlichen zwei Drittel, die aus den sogenannten Amdo- und Kham-Regionen bestehen, werden schön unter dem Deckel gehalten und scheinen an der Weltpresse irgendwie vorbei zu existieren.
Da wir nicht nach Zentral-Tibet reisen durften, machten wir stattdessen eine 2-wöchige Reise durch die Amdo-Region. Unser Guide, ein Tibeter, der in einer Nomaden-Familie aufgewachsen ist, berichtete uns erschütternde Geschichten, wie es um das unterdrückte tibetische Volk steht. Zudem konnten wir uns bei den Besuchen von vielen buddhistischen Klöstern und tibetischen Dörfern selber ein Bild davon machen.
Seit den tibetischen Demonstrationen im Vorfeld der olympischen Spiele im 2008 hat sich die Situation beträchtlich verschlechtert. In Amdo sind seither einige Gebiete regelrecht abschottet und Ausländer haben dort schon seit Jahren keinen Zugang mehr. Gemäss Angaben unseres Guides wurden in seinem Dorf bei Unruhen im 2008 200 Menschen getötet und weite Teile der männlichen Bevölkerung inhaftiert. Er selber war schon 10-mal im Gefängnis und wir sind durch eine Stadt gefahren, in der damals alle 300 Nonnen ins Gefängnis gesteckt wurden, weil sie auf der Strasse gegen die chinesische Politik demonstriert haben. Die Regierung hat nun drastische Massnahmen beschlossen, damit solche Unruhen so schnell nicht mehr vorkommen. An vielen Klöstern sind die Anzahl praktizierender Mönche limitiert und etliche Klosterschulen wurden geschlossen. Einst stolze Klöster mit vielfältigem Leben und über tausend Mönchen dürfen heute nur noch wenige hundert aufnehmen und werden zu Museen und Touristenattraktionen reduziert. Das Regierungs-Credo: Die tibetische Kultur gehört ins Völkerkundemuseum und soll ja nicht mehr gelebt werden.
Viele Tibeter werden überwacht und bespitzelt, Handys abgehört und der SMS-Verkehr ist in einigen Gebieten sogar gesperrt. Über politische Angelegenheiten kann in der Öffentlichkeit nicht diskutiert werden. Unser Guide bezeichnete z.B. Dalai Lama immer als „Big D“, um nicht unerwünschte Zuhörer auf unsere Diskussionen aufmerksam zu machen.
Die Zahl der tibetischen Nomaden, das Rückgrat der Tibet-Kultur, verringert sich ebenfalls von Jahr zu Jahr. Die Regierung kauft ihnen Vieh und Land ab und versucht, die Nomaden in neu erbaute, feste Behausungen umzusiedeln. Ein Angebot, dass viele Nomaden mit Sicht auf das schnelle, grosse Geld nicht ausschlagen können. Mit diesen und ähnlichen „Finten“ schafft es „die grosse Partei“, die tibetische Kultur nach und nach auszulöschen.
Die aktuellsten Entwicklungen lassen ebenfalls aufhorchen. Nachdem sich nun zum x-ten Mal Mönche selber angezündet haben, um die Welt auf ihre Unterdrückung aufmerksam zu machen, wurde Zentral-Tibet (wie bereits erwähnt) isoliert. Für uns Reisende ist diese Situation zwar schade, die um ein Vielfaches härter betroffenen Tibeter machen nun jedoch die Hölle durch. Bewohner der Amdo- und Kham-Regionen, die sich in Lhasa aufhielten, wurden aufgespürt, mussten die Stadt per sofort verlassen und wurden in ihre Heimatregionen zurückverfrachtet. Hunderte Tibeter sind wieder inhaftiert worden. Und der eigentliche Gipfel der ganzen Aktionen: Tibeter dürfen nun nicht mehr nach Zentral-Tibet reisen. Sie erhalten keine Zug-Tickets mehr und werden an Grenzposten abgewiesen. Für Chinesen ist die Einreise jedoch weiterhin kein Problem.  
Die Bewohner Tibets sind auf jede Art von „Publicity“ für ihre Sache angewiesen, daher sollen im Westen die Berichte über die erschütternden Geschehnisse in Tibet unbedingt Gehör finden. Hier hat ein Grossteil der Chinesen aufgrund der rigiden Zensur im Land keine Ahnung, was in Tibet vor sich geht und viele haben das Gefühl, Tibeter seien immer noch einsame Nomaden, die im Hochland mit ihren Yak- und Schafherden einsam ihre Runden drehen.
Ebenso ein paar Blog-Zeilen wert ist natürlich, was wir in Tibet überhaupt gemacht und erlebt haben. Wir besuchten verschieden Klöster und erhielten Einblick in den tibetischen Buddhismus, verfielen dem Yak-Joghurt, assen Momos bis zum bitteren Ende, bewunderten die unendlichen Grassflächen des tibetischen Hochlands und trekkten sieben Tage um den heiligen Mount Amnye Machen. Unterwegs waren wir mit fünf Yaks und drei Pferden und übernachteten in Iglu-Zelten auf über 4000 m.ü.M. .Es war ein überaus nasses Erlebnis mit abenteuerlichen Flussüberquerungen (zu Fuss oder zu Ross) und unzähligen Begegnungen mit ängstlichen Yaks, Zähne fletschenden Hunden, frechen Murmeltieren und wehenden Gebetsfahnen. Missen wollen wir wie immer nichts davon.

Ein Mönch produziert Tsampa-Kügelchen

Typisches tibetisches Kloster

Debatierende Mönche im Kloster Rebkong, ein wahrhaft unterhaltsames Spektakel

Rebkong by night

Tibetische Gebetsmühlen

Tibetischer Gebets- und Modestil, Part 1...

... und Part 2

Das riesige Kloster von Labrang

Mönche gestalten ein Mandala aus Sand

Kinder vom Land

SO sieht Tibet aus

Spieglein Spieglein auf dem See, wer ist der schönste Berg, juhee?

Junger Novize beim schuften

Tibetische Städte sind nicht immer einladend

Melanie zu Ross über Fluss

Richtig, es war saukalt!

Wandern ist des AlGuRoMe's Lust

Die lieben Yaks schleppten unseren Garsumpel

Der Fleecepulli war Pflicht

Yaks sind von Grund auf kritische Tiere

Dienstag, 3. Juli 2012

Einen Hick in der Fichte


Glüezi mitenand! Wil sind zulück und del Blog ist wiedel up-to-date, jedoch nul fül kulze Zeit. Abel alles schön del Leihe nach…
China empfing uns mit 5-spurigen Strassen durch die Innenstadt, Nudelsuppe aus dem Kartontopf und einer beispiellosen Internetzensur. Wir konnten tatsächlich den ganzen letzten Monat nicht mehr auf unseren Blog zugreifen. Auch Facebook, YouTube und ein grosser Teil der Google-Dienstleistungen waren tabu. Alle kleineren und grösseren Internetricklein, die uns z.B. in Vietnam oder Burma ohne Mühe ans Ziel brachten, prallten diesmal kläglich an der grossen chinesischen Firewall ab. Im Namen der chinesischen Regierung entschuldigen wir uns bei euch für diese Unannehmlichkeiten und für den bedauernswerten Umstand, dass unser Blog so lange auf Eis gelegt war. Solly!
Nach einem kurzen Intermezzo in der Millionenstadt Guangzhou und einer 26-stündigen, ganze 2‘116 Kilometer langen Zugfahrt trafen wir in Xian, der Stadt der Terracotta Krieger, Guido und Alvine, die mit uns nun einen knappen Monat lang Tibet und China bereist haben.  Apropos Tibet.  Wir würden diesem wunderbaren Land nicht gerecht werden, wenn wir es hier zwischen Sätzen über chinesische Zensur und grillierte Frösche (kommt noch, kommt noch) hinein quetschen würden. Daher folgt in einem zweiten, nachfolgenden Blogeintrag ein „Tibet-Special“, in dem es seinen wohlverdienten Platz erhält.
China ist ein Land, das es schafft, Reisenden wie uns regelmässig die Kinnlade runter zu klappen. Und wir haben ja doch schon einiges gesehen und die eine oder andere Reiseerfahrung in unser Rucksäckli gepackt. Dieses Kinnladen-Runterklappen bezieht sich hauptsächlich auf den chinesischen Bauwahn. Dieses Land wird regelrecht zugepflastert. Riesige Wohnüberbauungen schiessen wie Unkraut aus dem Boden. 50, 60 identische Wohnblöcke à 30 Stockwerken, identische Farbe, auf scheinbar kleinstem Raum zusammengepfercht. Unzählige neue Eisenbahnlinien und Autobahnen sind im Bau. Meistens wird direkt eine neue Linienführung gebaut, nichts von wegen Strassen verbreitern oder Spurausbau. Die geschäftigen Ingenieure konstruieren neue gigantische Viadukte, lassen halbe Berge abtragen und schon wird der Beton von neuem gemischt. Der Glaube in Fortschritt und neue Technologien scheint unbegrenzt, stehen hier doch z.B. Atomkraftwerke in den Vorstädten rum wie an anderen Orten IKEA-Filialen. Beim Bestaunen dieser Bauwerke kam Roger oft der gutschweizerische Spruch seines ehemaligen Arbeitskollegen in den Sinn: „Die haben doch alle einen Hick in der Fichte!“
Schlendert man abends durch Chinas Strassen, überrascht einen den Kinnladen-Effekt von neuem. Dem Pudel wird im Schaufenster ein rassiger Haarschnitt verpasst, die Frösche stehen sich im Aquarium die Füsse platt (bis sie vom Grillmeister „erlöst“ werden) und an jeder Ecke werden einem Hühnerfüsse oder Schweinsschnäuzchen angeboten.
Obwohl die wenigsten Chinesen ein Wort Englisch sprechen und wir bei all den Schriftzeichen nicht mal Bahnhof verstehen, funktioniert die gegenseitige Verständigung dank universellen Handbewegungen und Grimassen überraschend gut. Das Essen, lässt man merkwürdige Tierkörperteile mal weg, ist vorzüglich und man kann auch ohne weiteres einmal die Vegetarier-Fahne raushängen. Ebenso sind die Chinesen, lässt man auch hier ihre merkwürdigen Grunzlaute und das Rumspucken mal weg, sehr herzlich und hilfsbereit, auch wenn sie zuerst einmal den „suure Stei“ spielen.
Alles in allem haben wir entschieden, dass das Kapitel China für uns noch nicht abgeschlossen ist und werden nun in Hong Kong ein neues China-Visum beantragen. In der Zwischenzeit lassen wir uns vom Trubel ums hiesige Drachenbootrennen mit grosser internationaler Beteiligung anstecken und bestaunen die bunt flimmernden Hong-Kongschen Neon-Schilder.

Die berühmten Terracotta-Krieger in Reih und Glied. Und sie vermehren sich von Tag zu Tag...

Dubiose Felle zum Verkauf

Spielen und Wetten geben sich in China die Hand

Neu und alt - die imposante Stadtmauer von Xian

Gemästete Kröten

Pudel beim Coiffeur. Chic nicht?!

Höcklen im Park...

... mit chinesischer Beteiligung

Und weil sie so schön war (und sich Roger ein Kamera-Stativ gekauft hat): Südportal der imposanten Stadtmauer von Xian

Guido, blaue Tasche, Melanie und Alvine

Plauderminütchen

Dann doch lieber Cervelat...