Samstag, 7. Juli 2012

Wenn nur noch Chinesen nach Tibet dürfen


Bevor wir erstmals tibetisches Territorium betreten durften, verbrachten wir zusammen mit Alvine und Guido unzählige Stunden, um alle von der chinesischen Regierung in den Weg gestellten Hürden zu meistern. Die Route musste im Voraus festgelegt, Fahrer und Guide organisiert und alle administrativen Anforderungen erfüllt werden. Endlich erledigt, erreichte uns die Hiobsbotschaft, dass nur noch mindestens fünf Touristen der gleichen Nationalität miteinander reisen dürfen. Kurze Zeit später wurde Tibet für Ausländer komplett geschlossen. Aber wirklich ganz Tibet? Das chinesische Parteikader versucht der ganzen Welt weisszumachen, Tibet sei nur ein auf Lhasa und Umgebung beschränktes Gebiet. In Wirklichkeit macht dieses Zentral-Tibet jedoch nur einen Drittel der gesamten Fläche aus, in der die tibetische Kultur überwiegt und sich die Leute als Tibeter bezeichnen. Die restlichen zwei Drittel, die aus den sogenannten Amdo- und Kham-Regionen bestehen, werden schön unter dem Deckel gehalten und scheinen an der Weltpresse irgendwie vorbei zu existieren.
Da wir nicht nach Zentral-Tibet reisen durften, machten wir stattdessen eine 2-wöchige Reise durch die Amdo-Region. Unser Guide, ein Tibeter, der in einer Nomaden-Familie aufgewachsen ist, berichtete uns erschütternde Geschichten, wie es um das unterdrückte tibetische Volk steht. Zudem konnten wir uns bei den Besuchen von vielen buddhistischen Klöstern und tibetischen Dörfern selber ein Bild davon machen.
Seit den tibetischen Demonstrationen im Vorfeld der olympischen Spiele im 2008 hat sich die Situation beträchtlich verschlechtert. In Amdo sind seither einige Gebiete regelrecht abschottet und Ausländer haben dort schon seit Jahren keinen Zugang mehr. Gemäss Angaben unseres Guides wurden in seinem Dorf bei Unruhen im 2008 200 Menschen getötet und weite Teile der männlichen Bevölkerung inhaftiert. Er selber war schon 10-mal im Gefängnis und wir sind durch eine Stadt gefahren, in der damals alle 300 Nonnen ins Gefängnis gesteckt wurden, weil sie auf der Strasse gegen die chinesische Politik demonstriert haben. Die Regierung hat nun drastische Massnahmen beschlossen, damit solche Unruhen so schnell nicht mehr vorkommen. An vielen Klöstern sind die Anzahl praktizierender Mönche limitiert und etliche Klosterschulen wurden geschlossen. Einst stolze Klöster mit vielfältigem Leben und über tausend Mönchen dürfen heute nur noch wenige hundert aufnehmen und werden zu Museen und Touristenattraktionen reduziert. Das Regierungs-Credo: Die tibetische Kultur gehört ins Völkerkundemuseum und soll ja nicht mehr gelebt werden.
Viele Tibeter werden überwacht und bespitzelt, Handys abgehört und der SMS-Verkehr ist in einigen Gebieten sogar gesperrt. Über politische Angelegenheiten kann in der Öffentlichkeit nicht diskutiert werden. Unser Guide bezeichnete z.B. Dalai Lama immer als „Big D“, um nicht unerwünschte Zuhörer auf unsere Diskussionen aufmerksam zu machen.
Die Zahl der tibetischen Nomaden, das Rückgrat der Tibet-Kultur, verringert sich ebenfalls von Jahr zu Jahr. Die Regierung kauft ihnen Vieh und Land ab und versucht, die Nomaden in neu erbaute, feste Behausungen umzusiedeln. Ein Angebot, dass viele Nomaden mit Sicht auf das schnelle, grosse Geld nicht ausschlagen können. Mit diesen und ähnlichen „Finten“ schafft es „die grosse Partei“, die tibetische Kultur nach und nach auszulöschen.
Die aktuellsten Entwicklungen lassen ebenfalls aufhorchen. Nachdem sich nun zum x-ten Mal Mönche selber angezündet haben, um die Welt auf ihre Unterdrückung aufmerksam zu machen, wurde Zentral-Tibet (wie bereits erwähnt) isoliert. Für uns Reisende ist diese Situation zwar schade, die um ein Vielfaches härter betroffenen Tibeter machen nun jedoch die Hölle durch. Bewohner der Amdo- und Kham-Regionen, die sich in Lhasa aufhielten, wurden aufgespürt, mussten die Stadt per sofort verlassen und wurden in ihre Heimatregionen zurückverfrachtet. Hunderte Tibeter sind wieder inhaftiert worden. Und der eigentliche Gipfel der ganzen Aktionen: Tibeter dürfen nun nicht mehr nach Zentral-Tibet reisen. Sie erhalten keine Zug-Tickets mehr und werden an Grenzposten abgewiesen. Für Chinesen ist die Einreise jedoch weiterhin kein Problem.  
Die Bewohner Tibets sind auf jede Art von „Publicity“ für ihre Sache angewiesen, daher sollen im Westen die Berichte über die erschütternden Geschehnisse in Tibet unbedingt Gehör finden. Hier hat ein Grossteil der Chinesen aufgrund der rigiden Zensur im Land keine Ahnung, was in Tibet vor sich geht und viele haben das Gefühl, Tibeter seien immer noch einsame Nomaden, die im Hochland mit ihren Yak- und Schafherden einsam ihre Runden drehen.
Ebenso ein paar Blog-Zeilen wert ist natürlich, was wir in Tibet überhaupt gemacht und erlebt haben. Wir besuchten verschieden Klöster und erhielten Einblick in den tibetischen Buddhismus, verfielen dem Yak-Joghurt, assen Momos bis zum bitteren Ende, bewunderten die unendlichen Grassflächen des tibetischen Hochlands und trekkten sieben Tage um den heiligen Mount Amnye Machen. Unterwegs waren wir mit fünf Yaks und drei Pferden und übernachteten in Iglu-Zelten auf über 4000 m.ü.M. .Es war ein überaus nasses Erlebnis mit abenteuerlichen Flussüberquerungen (zu Fuss oder zu Ross) und unzähligen Begegnungen mit ängstlichen Yaks, Zähne fletschenden Hunden, frechen Murmeltieren und wehenden Gebetsfahnen. Missen wollen wir wie immer nichts davon.

Ein Mönch produziert Tsampa-Kügelchen

Typisches tibetisches Kloster

Debatierende Mönche im Kloster Rebkong, ein wahrhaft unterhaltsames Spektakel

Rebkong by night

Tibetische Gebetsmühlen

Tibetischer Gebets- und Modestil, Part 1...

... und Part 2

Das riesige Kloster von Labrang

Mönche gestalten ein Mandala aus Sand

Kinder vom Land

SO sieht Tibet aus

Spieglein Spieglein auf dem See, wer ist der schönste Berg, juhee?

Junger Novize beim schuften

Tibetische Städte sind nicht immer einladend

Melanie zu Ross über Fluss

Richtig, es war saukalt!

Wandern ist des AlGuRoMe's Lust

Die lieben Yaks schleppten unseren Garsumpel

Der Fleecepulli war Pflicht

Yaks sind von Grund auf kritische Tiere

Dienstag, 3. Juli 2012

Einen Hick in der Fichte


Glüezi mitenand! Wil sind zulück und del Blog ist wiedel up-to-date, jedoch nul fül kulze Zeit. Abel alles schön del Leihe nach…
China empfing uns mit 5-spurigen Strassen durch die Innenstadt, Nudelsuppe aus dem Kartontopf und einer beispiellosen Internetzensur. Wir konnten tatsächlich den ganzen letzten Monat nicht mehr auf unseren Blog zugreifen. Auch Facebook, YouTube und ein grosser Teil der Google-Dienstleistungen waren tabu. Alle kleineren und grösseren Internetricklein, die uns z.B. in Vietnam oder Burma ohne Mühe ans Ziel brachten, prallten diesmal kläglich an der grossen chinesischen Firewall ab. Im Namen der chinesischen Regierung entschuldigen wir uns bei euch für diese Unannehmlichkeiten und für den bedauernswerten Umstand, dass unser Blog so lange auf Eis gelegt war. Solly!
Nach einem kurzen Intermezzo in der Millionenstadt Guangzhou und einer 26-stündigen, ganze 2‘116 Kilometer langen Zugfahrt trafen wir in Xian, der Stadt der Terracotta Krieger, Guido und Alvine, die mit uns nun einen knappen Monat lang Tibet und China bereist haben.  Apropos Tibet.  Wir würden diesem wunderbaren Land nicht gerecht werden, wenn wir es hier zwischen Sätzen über chinesische Zensur und grillierte Frösche (kommt noch, kommt noch) hinein quetschen würden. Daher folgt in einem zweiten, nachfolgenden Blogeintrag ein „Tibet-Special“, in dem es seinen wohlverdienten Platz erhält.
China ist ein Land, das es schafft, Reisenden wie uns regelmässig die Kinnlade runter zu klappen. Und wir haben ja doch schon einiges gesehen und die eine oder andere Reiseerfahrung in unser Rucksäckli gepackt. Dieses Kinnladen-Runterklappen bezieht sich hauptsächlich auf den chinesischen Bauwahn. Dieses Land wird regelrecht zugepflastert. Riesige Wohnüberbauungen schiessen wie Unkraut aus dem Boden. 50, 60 identische Wohnblöcke à 30 Stockwerken, identische Farbe, auf scheinbar kleinstem Raum zusammengepfercht. Unzählige neue Eisenbahnlinien und Autobahnen sind im Bau. Meistens wird direkt eine neue Linienführung gebaut, nichts von wegen Strassen verbreitern oder Spurausbau. Die geschäftigen Ingenieure konstruieren neue gigantische Viadukte, lassen halbe Berge abtragen und schon wird der Beton von neuem gemischt. Der Glaube in Fortschritt und neue Technologien scheint unbegrenzt, stehen hier doch z.B. Atomkraftwerke in den Vorstädten rum wie an anderen Orten IKEA-Filialen. Beim Bestaunen dieser Bauwerke kam Roger oft der gutschweizerische Spruch seines ehemaligen Arbeitskollegen in den Sinn: „Die haben doch alle einen Hick in der Fichte!“
Schlendert man abends durch Chinas Strassen, überrascht einen den Kinnladen-Effekt von neuem. Dem Pudel wird im Schaufenster ein rassiger Haarschnitt verpasst, die Frösche stehen sich im Aquarium die Füsse platt (bis sie vom Grillmeister „erlöst“ werden) und an jeder Ecke werden einem Hühnerfüsse oder Schweinsschnäuzchen angeboten.
Obwohl die wenigsten Chinesen ein Wort Englisch sprechen und wir bei all den Schriftzeichen nicht mal Bahnhof verstehen, funktioniert die gegenseitige Verständigung dank universellen Handbewegungen und Grimassen überraschend gut. Das Essen, lässt man merkwürdige Tierkörperteile mal weg, ist vorzüglich und man kann auch ohne weiteres einmal die Vegetarier-Fahne raushängen. Ebenso sind die Chinesen, lässt man auch hier ihre merkwürdigen Grunzlaute und das Rumspucken mal weg, sehr herzlich und hilfsbereit, auch wenn sie zuerst einmal den „suure Stei“ spielen.
Alles in allem haben wir entschieden, dass das Kapitel China für uns noch nicht abgeschlossen ist und werden nun in Hong Kong ein neues China-Visum beantragen. In der Zwischenzeit lassen wir uns vom Trubel ums hiesige Drachenbootrennen mit grosser internationaler Beteiligung anstecken und bestaunen die bunt flimmernden Hong-Kongschen Neon-Schilder.

Die berühmten Terracotta-Krieger in Reih und Glied. Und sie vermehren sich von Tag zu Tag...

Dubiose Felle zum Verkauf

Spielen und Wetten geben sich in China die Hand

Neu und alt - die imposante Stadtmauer von Xian

Gemästete Kröten

Pudel beim Coiffeur. Chic nicht?!

Höcklen im Park...

... mit chinesischer Beteiligung

Und weil sie so schön war (und sich Roger ein Kamera-Stativ gekauft hat): Südportal der imposanten Stadtmauer von Xian

Guido, blaue Tasche, Melanie und Alvine

Plauderminütchen

Dann doch lieber Cervelat...

Montag, 4. Juni 2012

Jesus is coming


Was macht ein philippinischer Fischer im abgelegenen Küstenörtchen Port Barton, wenn er sich bei einem Arbeitsunfall einen Fischerhaken durch seinen Daumen bohrt? Er sucht die örtliche Hebamme und lässt sich von ihr das lästige Ding rausschneiden. Nein, wir erzählen euch kein Schummermärchen. Diese Geschichte ist hier traurige Realität, denn die medizinische Versorgung in vielen Gebieten ist, wenn überhaupt vorhanden, schlicht erbärmlich. Auf Palawan konnten wir uns wieder einmal ein Bild dieser Tatsache machen. In eben erwähntem Port Barton besuchten wir das örtliche „Gesundheitszentrum“ und liessen uns von Bring, der Hebamme, durch die spärlichen Räumlichkeiten führen (eigentlich heisst sie anders, aber hier nennt sie die Dorfbevölkerung nur „Bring“, weil sie „brings the children“). Bring ist nicht nur die Hebamme, sondern managt das ganze Zentrum und ist für sämtliche Patienten zuständig, denn sie hat als einzige eine medizinische Ausbildung. Bring behandelt regelmässig Fälle von Tuberkulose, Malaria, Lepra, fehlgeschlagene Selbstmordversuche usw., was als gelernte Hebamme natürlich, gelinde gesagt, nicht immer ganz einfach ist. Glücklicherweise hat sie einige Frauen aus dem Dorf, die ihr unter die Armen greifen, diese arbeiten jedoch alle ehrenamtlich. Und trotzdem können die Leute glücklich sein, dass sie überhaupt eine engagierte Fachkraft im Ort haben.
Nach dieser eindrücklichen Begegnung gings weiter mit den immer wieder abenteuerlichen Fahrten an Bord der philippinischen ÖV. Zuerst mit dem Jeepney, wo wir ständig mit Dreckwasser nassgespritzt wurden, weil der Boden unter unserem Sitz durchgerostet war. Dann in einem vollgestopften Bus in der hintersten Reihe, wo wir wegen dem Fahrtwind zusätzlich von Kopf bis Fuss von einer Staubschicht überzogen wurden. Erwähnenswertes Detail: Das plötzlich aus einer Kartonschachtel springende Huhn, das laut gackernd über unsere Köpfe flog, bis es noch im letzten Moment, vor dem finalen Sprung aus dem Fenster, von einem Passagier festgeklammert werden konnte.
Nun sind wir an unserer letzter Tauchstation angekommen, die zugleich Tauchvergnügen der spektakuläreren Sorte bietet. Vor Busuanga Island liegen zwei Dutzend japanische Kriegsschiffe auf Grund, versenkt von den Amerikanern während dem 2. Weltkrieg in einem anno dazumal beispiellosen Luftangriff. Einige dieser Wracks kann man betauchen, und vor allem in deren Inneres gelangen. Ein einmaliges, jedoch ziemlich beengendes Erlebnis. Zusätzlich zu den Wracks konnten wir in einen Süss- und Salzwasser-See hüpfen, in dem verschiedene Wasserschichten dafür sorgen, dass die Wassertemperatur von einem Tiefenmeter auf den anderen auf 39° hochschnellt.
Wir haben bereits einmal erzählt, wie wichtig der christliche Glaube für die philippinische Bevölkerung ist. Der allgegenwärtige Beweis dafür sind die überall zu lesenden Liebesbekundungen an den lieben Gott, unter anderem auf der Rückseite jedes Tricycles („God loves you“) oder auf T-Shirts („God is more than enough“) bis hin zum „Wifi“-Passwort, das man eintöggeln muss, bevor man ins Internet kann (Passwort:“jesusiscoming“). Einfach himmlisch!
Ja, heute geht’s bereits weiter Richtung Norden zum grossen roten Nachbarn. Wir werden in den nächsten Wochen China und Tibet bereisen. Obwohl, Tibet vielleicht auch nicht, aber das ist eine andere (Blog-)Geschichte…

Gemütlicher Schwatz bei Bier und Sonnenuntergang

Ein typisches Fischer-Dörfchen

Bring erzählt aus ihrem Alltag

Unser Bus, beladen mit Hab und Huhn

Eine unglaubliche Fantasie-Landschaft im Wasser: der Bacuit Archipelago

Grillierter Fisch am Strand gehört hier zum Standardprozedere jedes „Island Hopping“-Ausflugs

Diese blöden Taucherbrillen-Abdrücke…

Melanie versperrt die Sicht aufs Menü

Sonnenuntergang von der Terrasse unseres Bungalows in El Nido

Ein Strand für uns