Montag, 31. Oktober 2011

In dünner Luft, Teil 2


Nachdem wir definitiv auf dem Everest-Trail angekommen sind, veränderte sich der Wanderer-Verkehr abrupt. Vielköpfige Trekkinggruppen, mit der gewohnten Entourage bestehend aus Bergführern und einem Heer von Trägern, die den Touristen ihre achsogeliebten Siebensachen wie Laptop, vermeintliche Profi-Fotoausrüstung oder Beauty-Utensilien auf den Berg schleppen, kreuzten sich die Wege mit Yak- und Esel-Transporten. Am Wegesrand begegneten uns so einige Kuriositäten wie Internetcafés, deutsche Bäckereien und ein riesen Angebot an importierten Snacks und Getränken. Alles Annehmlichkeiten, von denen die beiden Everest-Erstbesteiger Tenzing Norgay und Sir Edmund Hillary in den 50er-Jahren nur träumen konnten.
Je mehr wir uns jedoch der 5000müM-Grenze näherten, umso spartanischer wurde die zu Verfügung stehende Infrastruktur, die zu bestaunende Natur und die Zusammensetzung der benötigten Atemluft. Die immer dünner werdende Luft war im Vorfeld die grösste Unbekannte unserer Tour, und wirkte sich tatsächlich ziemlich offensichtlich auf den Trekking-Alltag aus. Kopfweh, unruhiger Schlaf und vor allem knappe Luft bei der kleinsten Anstrengung machten es nicht ganz einfach, die täglichen Höhenmeter abzuspulen. Dank der guten Akklimatisierung hatten wir jedoch zum Glück keine grösseren Probleme und konnten die 23-tägige-Trekkingtour wie geplant durchmarschieren. Entlohnt wurden wir schlussendlich beim Anblick der höchsten Berge der Welt, allen voran Mount Everest (8850m), Lohtse (8501m) und unserem heimlichem Favoriten, dem Ama Dablam (6856m). Wir kraxelten bis auf 5545m und fühlten uns wie Reinhold Messner zu seinen besten Zeiten, standen quasi im Dachstock der Welt und blickten auf Gletscher, türkisgrüne Bergseen, schneebedeckte 8000er und schwerschnaufende Touristen, die das gleiche erreichen wollten wie wir.
Am Ende dieser 23 Tage hätten Boris und Roger fürs Schmutzlen keine Anklebebärte mehr gebraucht und stinkten nach über einer Woche ohne Dusche auch entsprechend. Nudelfertig und mit grosser Vorfreude auf ein anständiges Hotelzimmer flogen wir mit einem Kleinflugzeug (vom wohl spektakulärsten Flughafen der Welt) nach Kathmandu zurück und gönnten uns ein feines Nachtessen in einem italienischem Restaurant.

Ein erstes Etappenziel erreicht, entstprechend die Stimmung (ganz rechts auf dem Bild: Markus aus Deutschland, der unsere Wandergruppe über eine Woche lang ergänzte)

Blick auf Gokyo, Gletscher, Berge und See

Schattenspiel

Boris fotografiert Yak

Wilde Landschaften im Himalaya

Und prompt wurden wir eingeschneit...

Unser Lieblingsberg: Ama Dablam

Hinten der Mt. Everest, vorne rechts der Numpse, ganz am linken unteren Bildrand liegt das Everest Basislager

Verschneite Mondlandschaft vom Kala Pattar

Zart und Bart auf über 5500 Metern

Letztes Tschüss-Sagen an Everst und Ama Dablam

Roger und Boris probieren ein lokales Bier namens Chang

Der wohl spektakulärste Flughafen in Lukla mit etwas arg kurzer Lande- und Startbahn

In dünner Luft, Teil 1

sich frühmorgens um 5.45 Uhr aus dem warmen Schlafsack kämpfen, mindestens vier Kleidungsschichten anziehen, die Füsse in die noch eiskalten Wanderschuhe stecken, die Eisschicht auf den Innenseiten der Fenster wegkratzen und das aktuelle Morgenwetter begutachten, mit klammen Fingern den Rucksack packen, im mit Glück etwas geheizten Aufenthaltsraum ein tibetanisches Brot mit Konfi und Honig (Adrienne&Melanie) oder einen grossen Teller Kartoffeln mit Gemüse (Boris&Roger) frühstücken, in den ersten Sonnenstrahlen losmarschieren, wandern, Teestopp, wandern, Zmittagstopp, wandern, Übernachtungsteahouse suchen, Zimmer (oder manchmal eher Abstellkammer) beziehen, sich am Ofen wärmen und Kleider trocknen, Znacht essen, sich spätabends um 20.30 Uhr in den kalten Schlafsack kämpfen.
Dies war die letzten drei Wochen in etwa unser Tagesablauf, der uns mit der Zeit glauben liess, wir hätten im ganzen Leben nichts anderes als Trekken gemacht. Obwohls  ziemlich unspektakulär klingt, war die umliegende Szenerie so genau das Gegenteil. Aber zuerst mal von vorne…
Damit wir uns an die Höhen und dünne Luft im Himalaya akklimatisieren konnten, entschieden wir uns, nicht wie der Grossteil der Mit-Wanderer an den Ausgangspunkt des Everest-Treks zu fliegen, sondern einen Teil der (Flug-)Strecke mit einem 6-Tages-Trek unter die Füsse zu nehmen. Dies bedingte jedoch, dass wir zuerst mit einem gemieteten Auto (ohne funktionierendem 1. Gang und halb gebrochener Achse) inkl. Fahrer (wegen Zusammenfallen unseres Abfahrtstages mit einem wichtigen hinduistischen Fest ziemlich schlecht gelaunt) eine holprige und nicht enden wollende 8-stündige Fahrt hinter uns bringen mussten. So waren wir dummerweise am Trekking-Startort, bevor wir nur einen Meter gewandert sind, schon ziemlich gerädert.
Die ersten paar Tage machten wir etliche Höhenmeter, stiegen von Bergen in Täler und zurück und vermissten vielerorts die in der Schweiz doch so selbstverständlichen Sessel- und Gondelbahnen. Je mehr wir uns dem eigentlichen Everest-Trek näherten, umso luxuriöser wurden die Unterkünfte und umso höher die umliegenden schneebedeckten Gipfel. Die aktuelle Höhe über Meer konnte man auch ganz einfach an den Preisen von Essen und Snacks ablesen. Kostet ein Teller Kartoffeln in den Niederungen des Vor-Himalaya noch Fr. 1.50, warens über 4000m bereits Fr. 5.50. Natürlich total berechtigt, denn sämtliche (Ess-)Waren werden von Trägern tagelang und mühsam  in die entlegensten Gebiete raufgetragen.



Unsere Unterhaltung am Mittagstisch

Verdienter Teestopp mit nepalesischem Tee

Kochendes Wasser dank Sonnenstrahlen

v.l.n.r.: Lastkorb eines Trägers, Rogers Rucksack, Melanies Rucksack

Beim Bachwasser filtern...

Selecta-Automat à la Everest

Ein Landschaftsmaler hat etwas mit den Wolken zu kämpfen

Wir vier inkl. Gebetsfahnen, Berg und Mond

Edelweiss gibts nicht nur in der Schweiz

Da stellt man sich besser nicht in den Weg - ein Yak-Zug

Darum waren wir während dem ganzen Trek Vegetarier: Fleischtransport im Himalaya

Mittwoch, 5. Oktober 2011

Unterwegs Richtung Everest Base Camp...

Nun ist es endlich soweit und wir starten unsere ca. 23-tägige Trekking-Tour Richtung Mt. Everest Base Camp. Wir sind daher bis Anfangs November nicht erreichbar und hoffen, dass die Lakers bis dann auf einem konfortablem Playoff-Rang sitzen.
Uns wünschen wir keine Blattern, euch noch viele warme Oktober-Sonnenstrahlen.
Bis bald...

Wir vier unter Buddhas kritischem Blick


Sonntag, 2. Oktober 2011

Warm-up im Annapurna-Gebiet

Ein modisch geschnittener Mammut-Windstopper? Eine kuschelige North Face-Fleecejacke? Oder lieber hochgebirgstaugliche Hanwag-Wanderschuhe? Ist alles ohne Probleme zu kriegen in Kathmandu. Sogar zu einem Spottpreis. Und zu „leicht“ verminderter Qualität. Das Touristenviertel ist vollgestopft mit kleinen Trekkinglädelchen, die die ganze Outdoor-Palette vom Leki-Wanderstock bis zum Compeed-Pflaster anbieten. Die meisten Produkte sind günstige Kopien aus China, haben daher unschlagbare Preise aber auch entsprechende Qualität.
Der Tourismus in Nepal ist sowieso vollkommen auf das Trekking ausgerichtet. Kein Wunder, wenn man 8 der 10 höchsten Berge der Welt in seinem Land rumstehen hat. So kann man hier sehr einfach eine mehrwöchige Wandertour machen, mehrere 8000er in den Kamerasucher nehmen und jeden Abend in einem heimeligen „Teahouse“ (ähnlich wie in der Schweiz die SAC-Hütten, nur viel komfortabler) absteigen. Das lässt sogar die Herzen von landschaftlich verwöhnten Schweizer Wandervögeln, wie wir es sind, höher schlagen.
Damit wir uns mal etwas anklimatisieren und einlaufen konnten, nahmen wir die 7-stündige Busfahrt nach Pokhara unter die Räder, in dessen Nähe sich das weltberühmte Annapurna-Massiv befindet. Und um einen besseren kulturellen Einblick in das nepalesische Bergleben zu erhalten, engagierten wir einen Bergführer namens Tek und gingen mit ihm auf den Trek. Tek hatte während den fünf Tagen so viel zu erzählen, dass wir ihn mit der Zeit etwas „abstellen“ mussten, damit wir die Natur ausreichend geniessen konnten. Eine gutes Mittel war die Variante „Melanie gibt Tek ihren schweren Rucksack zum tragen“. So wurde es automatisch etwas ruhiger um ihn.
Die ersten zwei Tage marschierten wir bei schönem Wetter durch Wälder, Dörfer und Schluchten. Der Blick auf das Annapurna-Massiv blieb uns jedoch wegen einer dicken Wolkenwand verwehrt. Erst am dritten Tag, morgens um 6 Uhr bei Sonnenaufgang, konnten wir das erste Mal die imposante Pracht des Himalayas bestaunen. Der schneebedeckte Annapurna South (7219m) zeigte sich von seiner besten Seite und auch der Annapurna I (8091m) grüsste aus der hinteren Reihe.
Während dem Tag begegneten wir vielen Pferden, Ponys und Eseln, die ihre schweren Lasten auf die Berge schleppten. Zudem kamen uns hunderte von Ziegen auf ihrem Weg nach Pokhara entgegen. In diesen Tagen findet in Nepal nämlich das wichtigste hinduistische Fest im Jahr statt, für das sich die Nepali herausputzen, ihre Häuser frisch streichen und sich mit ihren Familien und Verwandten treffen. Und anlässlich der Feierlichkeiten wird traditionellerweise viel Ziegenfleisch gegessen. So waren die vielen niedlichen „Geisslein“, denen wir begegneten, bedauerlicherweise auf dem direkten Weg zur Schlachtbank.
Ebenfalls treue Weggefährten waren Blutegel. Da der Boden durch die vergangene Monsun-Saison an einigen Orten noch aufgeweicht und schlammig war, spazierten wir mehrere Male direkt durch die Wohnstube dieser nicht sehr beliebten Tiere. Es machte jedoch den Anschein, als ob die Egel nicht so sehr auf Schweizer Blut abfahren, denn sie haben uns dankbarerweise verschont. Im Gegensatz zu Tek und anderen Trekkern…
Zurück in Kathmandu geniessen wir nun unseren ersten Hochzeitstag (tatarataa!) und freuen uns riesig auf die morgige Ankunft von Adrienne und Boris.


Bergziegen auf dem Weg zur Schlachtbank

Lastesel und -pferde durchqueren einen Bach (der hintere Esel trägt übrigens lebende Hühner)

Auf dem Poon Hill in frühmorgendlicher Stimmung

Wir waren nicht die einzigen...

Close-up des Annapurna South

Der imposante Machhapuchhare (heisst übersetzt "Fischschwanz") bei Sonnenuntergang

Wir zwei mit Tek

Der alte Teil des Bergdorfes Ghandruk

Kritische Jungs

Gestatten: Ein Blutegel